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Islam

Islamische Kunst nennt man die Kunst der sich zur Religion des Islam bekennenden Völker. Ihre Besonderheiten bildeten sich unter den sozialökonomischen Bedingungen der späten Sklavenhalterordnung und v.a. des Feudalismus heraus, der als Herrschaftsform ausländischer Eroberer besondere Erscheinungsformen zeigte.

Der Islam, seit 632 von muslimischen Heeren über das Gebiet zwischen Spanien und Indien, Zentralasien und Ägypten verbreitet, kennt keine Kultbilder oder unumgänglichen Kultgeräte, er verbietet sogar figürliche Kunst an Kultstätten und stellt nur ganz allgemein Anforderungen an die Form der Kultbauten. Die islamische Kunst ist eine teilweise dem Erbe der Spätantike verpflichtete, v.a. höfisch bestimmte, schmückend angewandte Kunst ohne prinzipielle Unterscheidung des religiösen und des profanen Bereichs. Ihre Hauptleistungen liegen in Architektur, Kunsthandwerk und Buchmalerei, wobei eine reiche pflanzliche  oder geometrische Ornamentik, oft unter Einbeziehung der Schriftkunst, besonders betont wurde. Neben diesen gemeinsamen Zügen machen sich in den einzelnen Ländern und Epochen jeweils spezifische lokale Traditionen und historische Modifikationen bemerkbar.

Es lassen sich verschiedene Stile unterscheiden, die man nach den Dynastien benennt, unter denen sie zur Blüte gelangten.

 

Umayyaden-Stil

(661 - 750, in Spanien bis 1031)

In der Zeit der Umayyaden weist die islamische Kunst neben sasanidischen auch hellenistische und frühchristliche Einflüsse auf. In jener Zeit wurde der Typus der Hofmoschee ( Moschee) ausgebildet. Die Profanarchitektur wird durch Schloßbauten wie Mschatta, Khirbet al-Mafdjar und Qusair 'Amra repräsentiert. Wandmalereien, Mosaiken und gelegentlich vorkommende Großplastik lassen ein Nachklingen spätantiker Formen erkennen. Beachtung verdienen auch die spanischen Elfenbeinarbeiten des 10. und 11. Jh.

Abbasiden

(750-1258)

Mit dem Sturz der Umayyaden (750) und der Übernahme des Kalifats durch die Abbasiden verlagert sich das Schwergewicht der islamischen Kunst von Syrien nach dem Irak mit der neuen Hauptstadt Baghdad. Die Nachrichten über Baghdad unter den Abbasiden beruhen jedoch im wesentlichen auf literarische Überlieferung, da die Stadt 1256 von den Mongolen zerstört worden ist. Reiches Material über die Kunst unter den Abbasiden brachten die Ausgrabungen von Samarra (Residenz von 838 - 883). Im Moscheebau herrscht der Typ der Hofmoschee mit umlaufenden Stützenhallen und dem Betsaal an der Qibla-Seite vor. Erstmals werden in der islamischen Kunst Grabbauten errichtet, überkuppelte Zentralbauten, die vermutlich auf innerasiatische Vorbilder zurückgehen und als Vorläufer aller späteren Grabbauten in der islamischen Welt gelten. Die Paläste erreichen ungeheure Ausmaße, beherbergen zahlreiche Nebenbauten, Parks und Sportanlagen und sind in der Mittelachse, wie schon unter den Umayyaden (Mschatta), auf den Thronsaal hin orientiert. Die Paläste und Wohnhäuser waren mit Wandmalereien und Stuckplatten verkleidet, in denen zentralasiatische und persisch - sasanidische Einflüsse zu erkennen sind. Dieser sog. abbasidische Reichsstil verbreitete sich unter den türkischen Tuluniden (868 - 905) auch in Ägypten und Syrien. Für die Entwicklung der Keramik war die Einführung der Lüstertechnik, die sich erstmalig in Samarra feststellen läßt, von großer Bedeutung. Auf politischem und künstlerischem Gebiet trat das arabische Element allmählich zugunsten des iranischen und türkischen zurück. Bald standen an der Spitze der einzelnen Reichsteile Herrscher, die nur noch nominell von den Kalifen abhängig waren. An den Höfen der iranischen Buyiden und der Samaniden im Osten des Reiches (Samarkand) pflegte man bewußt die Traditionen aus vorislamisch sasanidischer Zeit.
Fatimiden-Stil

(969 - 1171)

Mit den Fatimiden (969 - 1171) kam in Kairo eine Kunstrichtung zur Blüte, die sich bis nach Sizilien, das bis 1071 politisch dieser Dynastie unterstand, und Unteritalien erstreckte. Zu den hervorragendsten Erzeugnissen der Kleinkunst gehören Holz- und Beinschnitzereien, auf denen figürliche Darstellungen nicht ungewöhnlich sind. Bergkristallarbeiten gelangten aus Ägypten nach Europa. Das bedeutendste erh. Denkmal fatimidischer Textilkunst ist der 1133 in Palermo entstandene deutsche Krönungsmantel ( Reichskleinodien).
Seldschuken-Stil

(1037 - 1300)

Unter den verschiedenen Dynastien der Seldschuken (1037 - 1300) gewannen die Turkvölker die Vorherrschaft in Vorderasien. Als bedeutende kulturelle Erzeugnisse der Seldschukenzeit entstanden die ältesten erhaltenen islamischen Knüpfteppiche (Konya-Teppiche), Bilderhandschriften und tauschierte Bronzen (Mossulbronzen). Zentren keramischer Produktion waren Raqqa ( Raqqa- Keramik) in Mesopotamien und Rayy (Raghes) im Iran (sog. Minai-Keramik). Zentrum der iranischen Fliesenerzeugung war Kaschan. Als neuen Bautypus führten die Seldschuken die zahlreich erhaltenen Grabtürme ( Türbe) ein.
persich-mongolische Stil

(1227-1502)

Als Folge der Eroberungen durch Dschingis Khan und seine Nachfolger bildete sich an den neuen Höfen, z.B. in Tabriz und Sultaniye der persich-mongolische Stil, dessen späte Phase als Timuriden-Kunst bekannt ist. Die Herrscher ließen gewaltige architektonische Anlagen (z.B. Timur in Samarkand die Gräberstraße Sah-i-Zinda) errichten, an denen die Verkleidung in Fayencemosaik ihre höchste Blüte erreichte. In den islamischen Formenschatz drangen mit der Mongolenzeit zahlreiche ostasiatische Motive ein, z.B. das »Tschi« ( Wolkenbandornament), Lotosblüten und Fabeltiere, die in den Werken der Buchkunst, auf Teppichen und Stoffen zu finden sind.
Mamluken-Stil

(1250-1517)

In Ägypten und Syrien gelangten nach den Ayyubiden (1171-1250) die Mamluken (1250-1517) zur Herrschaft. Für die Kunst ihrer Epoche wurden heraldisches Schmuckwerk und große Inschriften auf Keramiken, Bronzearbeiten und Gläsern charakteristisch. Im 15. Jh. entstand erstmalig eine umfangreiche ägyptische Teppichmanufaktur. Die überkuppelten Grabmoscheen der Mamlukenzeit bestimmen noch heute das Stadtbild von Kairo.
Maurischer Stil

(1031-1492)

In Spanien und Nord-Afrika entwickelte sich nach dem Ende der Umayyaden - Herrschaft unter den Almoraviden und Almohaden der Maurische Stil (1031-1492). Sein Höhepunkt fällt in die Regierungszeit der Nasriden von Granada (1231-1492) mit der Ausbildung des sog. Alhambra-Stils. Es entstanden in Maghribi- Duktus ( Schriftkunst) geschriebene Koranhandschriften, kostbar verzierte Waffen (Boabdil - Schwerter) und Lüsterfayencen, als deren Herstellungsorte Málaga und Valencia gelten. Nach Beseitigung der islamischen Herrschaft arbeiteten maurische Handwerker bis zu ihrer Vertreibung 1609 unter den christlichen Herrschern Spaniens weiter. Ihre Erzeugnisse im sog. Mudéjar - Stil haben das gleichzeitige Kunsthandwerk Europas stark beeinflußt.
Osmanen-Stil

(1300 - 1923)

In Vorderasien folgten den Seldschuken die Osmanen (1300 - 1923). Seit der Eroberung Konstantinopels 1453 stiegen sie zur ersten Macht in der islamischen Welt auf. Mitte des 16. Jh. waren ihnen alle Länder von Ungarn bis Arabien, von Nord-Afrika bis an die Grenzen Irans untertan. An den Höfen von Brussa (Bursa) und Istanbul herrschte ein reges künstlerisches Leben. In Iznik und Kütahya wurden Fliesen für die Verkleidung der Wände von Moscheen und Palästen hergestellt. Mehrere Orte in Kleinasien, wie Bursa, Bergama, Uschak, waren Zentren der Teppichknüpfkunst. Auf europäischen Gemälden wurden häufig die Gattungen der Holbein- und Uschakteppiche wiedergegeben. Die Urkunden (Firman) mit den Tughren der Sultane sind Hauptbeispiele osmanischer Schriftkunst. In eine Moschee umgewandelt, wurde die Hagia Sophia in Istanbul das Vorbild für viele osmanische Kuppelbauten (Sinan).
Safawiden-Stil

(1502 - 1736)

Unter den Safawiden (1502 - 1736) erreichte Iran einen weiteren Höhepunkt seiner Entwicklung. Auf Sah 'Abbas I. (1587 - 1629) geht die planvolle Anlage der Stadt Isfahan zurück. Palastbauten im Pavillon-Stil ( Kiosk) beleben die streng symmetrisch angelegten Gartenanlagen. In der die Traditionen weiterhin pflegenden Buchmalerei war der berühmteste Meister Riza-i 'Abbasi, der mit seinen Werken alle Zweige des Kunsthandwerks beeinflußte. Zu den schönsten Knüpfarbeiten der Epoche gehören die Jagdteppiche, während die sog. Polenteppiche schon eine Spätstufe darstellen. Die Keramik steht stark unter ostasiatischem Einfluß (Imitationen chinesischen Blau-Weiß-Porzellans). Wandkeramiken für Innenräume geben genrehafte Szenen wieder.
Moghul- Stil

(1525 - 1857)

Babar, ein Nachkomme Timurs und Dschingis Khans, begründet 1525 das Reich der Moghul-Kaiser in Indien (bis 1857). Zunächst stand die Kunst am Moghulhofe stark unter iranischem Einfluß, entwickelte sich jedoch bald in Verschmelzung mit einheimischen Traditionen zu einem indo-islamischen Nationalstil. Die bedeutendsten Baudenkmäler jener Zeit waren die Paläste, Grabmäler und Gartenanlagen. Sie befinden sich in den ehem. Residenzstädten Lahor, Fathpur Sikri, Agra und Delhi und sind in rotem Sandstein und weißem Marmor errichtet und mit kunstvollen Intarsien geschmückt. Das berühmteste Denkmal der Moghularchitektur ist das unter Sah Jahan (1628 - 58) errichtete Mausoleum Taj Mahal in Agra. Die reizvollsten Erzeugnisse der Moghulmalerei sind die in Gouache- Technik ausgeführten Miniaturen, die zahlreiche Handschriftenbände und Sammelalben füllten. Sie stand seit Akbar (1556-1605) und seiner toleranten Politik unter dem besonderen Patronat der Herrscher.

aus:

Lexikon der Kunst: Islamische Kunst, S. 1 ff. Digitale Bibliothek Band 43: Lexikon der Kunst, S. 14074 (vgl. LdK Bd. 3, S. 466 ff.) (c) E. A. Seemann